Ula Stöckl Filmemacherin · Professorin
Filmmaker · Professor
..Home | English | Kontakt
.
Dokumentarfilme

Grundsätzlich gleichberechtigt
oder
Hört uns denn niemand?

D 1986
16mm
2 x 45 Minuten
Farbe und Schwarz-weiß
Erstsendung 30.5.1987 /
6.6.1987 /
NDR, WDR, HR

Stabliste
Buch
Ulle Schröder,
Ula Stöckl
Regie
Ula Stöckl
...

Zum Film 1 | Zum Film 2

Dreharbeiten zu "Antigone"

Inhalt

Film 8
Grundsätzlich gleichberechtigt
Behandelt wird die Zeit von 1918-1924, also die Lage der Frauen nach dem ersten Weltkrieg, als sie zum ersten Mal in Deutschland das Stimmrecht erhielten, aber noch keineswegs die volle rechtliche Gleichstellung.

Deutschland hat 1918 den 1. Weltkrieg verloren. Sein Kaiser hat das Land verlassen, ohne daß jemand seine Armee entlassen hätte. Allgemeines Wahlrecht für Männer und Frauen wird angestrebt. Eine neue gesellschaftliche Ordnung muß geschaffen werden.

Nach dem Krieg gab es 2,8 Millionen Frauen mehr als Männer. Der Krieg hatte 58.000 Vollwaisen, 1.134.000 Halbwaisen, 533.000 Witwen und 2 Millionen Tote produziert. Weitere Kriegsfolgen waren Wohnungsnot, drastisch ansteigende Kindersterblichkeit, Tuberkulose infolge von Unterernährung und Syphilis infolge von Prostitution als letzter Möglichkeit, sich zu ernähren. Die Mark war wertlos geworden.

Diesen Mißständen wollten alle Kräfte zu Leibe rücken. Auch die radikalen Feministinnen: Vor dem Krieg dem linken Flügel der deutschen Frauenbewegung angehörend, trennen sie sich im Krieg von ihrem Dachverband, der sie ihrer pazifistischen Aktionen wegen als Landesverräterinnen diffamiert. Sie fordern ein neues Politikverständnis von Frauen: weg vom Nur-Sozialen. Sie wollen „die Revolution des Geistes, die aufräumt mit den alten rohen Mitteln der Vergewaltigung auf allen Gebieten”.

Von den radikalen Feministinnen, deren berühmteste Vertreterinnen Lyda Gustava Heymann und Dr. Anita Augspurg waren, kommt 1919 keine ins Parlament.

78% der Frauen hatten sich 1919 an den Wahlen zur verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung beteiligt. Von 423 Abgeordneten sind 41 Frauen. Nach heftigen Kämpfen der Frauen unter sich und mit den männlichen Abgeordneten verabschiedete die Nationalversammlung die erste Verfassung im Nationaltheater in Weimar.

Artikel 109: Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

GRUNDSÄTZLICH, das hieß, Ausnahmen sind möglich.
Diese Ausnahmen machten zum Beispiel möglich, daß bei zunehmender Arbeitslosigkeit in dieser Reihenfolge entlassen werden wird:
1. Frauen, deren Männer verdienen.
2. Alleinstehende Frauen und Mädchen.
3. Frauen, die nur eine oder zwei Personen zu versorgen hatten.
4. Alle übrigen Frauen und Mädchen

Das aber geschieht erst Ende der Zwanziger Jahre. Zwischen 1918 und 1925 sieht es für viele trotz allgemeiner Not erst einmal so aus, als könne man viel tun, für die Jugend, für die Alten, für die Kriegskrüppel, Kriegswaisen und Kriegerwitwen.
nach oben

Film 9
Hört uns denn niemand?
1924-1933: Durchsetzung von Sozialgesetzen, der Kampf gegen den § 218 StGB, Weltwirtschaftskrise und Beginn des Faschismus.

„In der Weimarer Republik, die durch immer stärkere Inflation zugrunde gerichtet wurde, verloren die Bürger jedes Gefühl für Sicherheit. Sie wußten nie, was als nächstes auf sie zukommen würde. Die Tragödie dieses Niedergangs war jedoch nur eine Seite der Medaille, die andere beinhaltete kulturellen Fortschritt, persönlichen Fortschritt, persönliche Freiheit und kollektive Tole-ranz.” (Charlotte Wolff, Bisexualität, 1977)

Der Gesetzgeber hatte es unterlassen, auch unverheiratete Mütter unter den Schutz des Staates zu stellen. Die Forderungen des Bundes für Mutterschutz, 1905 von Helene Stöcker, USPD, gegründet, waren immer: Erleichterung der Ehescheidung, Gleichbehandlung lediger und verheirateter Mütter, Selbstbestimmung der Frau über ihren eigenen Körper, Anerkennung der Mutterschaftsleistung, freier Zugang zu Verhütungsmitteln, Abschaffung von § 218, kostenlose Abtreibungsmöglichkeit. Dagegen stimmten aber die Frauen der Zentrumspartei. Sie bestanden auf dem Makel unehelicher Geburt und darauf, daß es keine Gleichstellung mit den ehelichen Kindern gibt. Es bleibt bei der Regelung des BGB von 1900: Unverheiratete Mütter haben nicht die elterliche Gewalt für ihre Kinder. Der Vater eines unehelichen Kindes gilt als nicht verwandt. Noch immer wird nach dem Gesetz von 1871 verfahren und Abtreibung nicht unter 5 Jahren Zuchthaus bestraft.

In den chemischen Fabriken sind die Arbeitsbedingungen so entsetzlich, daß die dort beschäftigten Frauen entweder nicht mehr schwanger werden konnten, oder auf 10 Schwangerschaften 9 Fehlgeburten erlitten. Der Verein sozialistischer Ärzte fordert 1925 die Aufhebung des § 218. Ein Komitee für Selbstbezichtigung will die Verfehltheit des Gesetzes beweisen. SPD und KPD kämpfen gegen den § 218. Die Sowjetunion hat als einziges Land legale Schwangerschaftsunterbrechung und gilt als beispielhaft: Leningrad hat 1925 auf 1000 Abtreibungen 2,5 Todesfälle, in Berlin dagegen sind es 12.

Erreicht wird, daß die Zuchthausstrafe in Gefängnisstrafe umgewandelt wird. Die Parlamentarierinnen erreichen auch, daß Prostitution nicht mehr als kriminelles Delikt angesehen wird, also nicht mehr strafbar ist und dadurch ein Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten greift.

1929 bricht die Börse zusammen. 1930 bringt die NSDAP einen Gesetzentwurf zum Schutz des deutschen Volkes ein, der sowohl gegen Abtreibung als auch gegen die Verbindung von Menschen verschiedener Rasse ist. Das Bild gegen den § 218 von Alice Lex-Nerlinger wird von der Polizei verboten und aus der Berliner Ausstellung entfernt. 1932 lösen sich alle Frauenverbände auf. Ein Verfassungsbruch besiegelt qua Gesetz das Schicksal der Beamtinnen. Im Januar 1933 übergibt die kommunistische Alterspräsidentin der Weimarer Republik, Clara Zetkin, den Deutschen Reichstag an den senil gewordenen Generalfeldmarschall von Hindenburg. Clara Zetkin stirbt am 20. 06. 1933 in Moskau.
nach oben

„UNERHÖRT - Die Geschichte der deutschen Frauenbewegung von 1830 bis heute” hieß eine zwölfteilige Sendereihe, die vom NDR, WDR und HR gemeinsam produziert und 1987 in den Dritten Programmen ausgestrahlt wurde.

Die Beiträge waren von sieben Filmemacherinnen gedreht; zwei darunter, die 8. und 9. Folge, von Ula Stöckl (zusammen mit Ulle Schröder).

Weitere Filme:
Die wilde Bühne
Herzkurve
Das alte Lied
Rede nur niemand vom Schicksal
Hört uns denn niemand?
Grundsätzlich gleichberechtigt
Jakobs Tauben
Den Vätern vertrauen gegen alle Erfahrung
Der Schlaf der Vernunft
Eine Frau mit Verantwortung
Erikas Leidenschaften
Popp und Mingel
Ein ganz perfektes Ehepaar
Hase und Igel
Der kleine Löwe und die Großen
Hirnhexen
Sonntagsmalerei
Das goldene Ding
Geschichten vom Kübelkind
Neun Leben hat die Katze
Haben Sie Abitur?
Sonnabend 17 Uhr
Antigone

.
Ula Stöckl Home (de) | Home (en) | Kontakt/Contact

Hüskes.Boek, Berlin